Mit digitalen Tools Gesellschaft gestalten #9- Interview mit Creative Gaming

von Jasmin am 24.09.18

Mit den Demokratielaboren wollen wir Jugendliche dazu ermutigen, sich mit Hilfe von digitalen Kompetenzen und Technologien selbstbestimmt und aktiv an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen. In Zeiten von Hate Speech, Fake News und Populismus ist es aber oft gar nicht so leicht, das Internet als positiven Raum zur Gestaltung zu nutzen. Wie können Jugendliche mit Hilfe von digitalen Technologien selbstwirksam werden und sich beteiligen? Dazu sprechen wir jeden Monat mit Expert/innen aus digitalen Projekten für und mit jungen Menschen. In Interview #9: Andreas und Valentina von der Initiative Creative Gaming, die sich für einen kreativen, kompetenten und kritischen Umgang mit digitalen Spielen stark machen.

Demokratielabore: Was ist die Idee von Creative Gaming und an wen richtet ihr euch?

Valentina & Andreas: Die Initiative Creative Gaming ist ein bundesweiter, unabhängiger Zusammenschluss von Menschen mit unterschiedlichsten Hintergründen. Wir sind u.a. Medienpädagog/innen, Medienkünstler/innen, Wissenschaftler/innen und Game-Designer/innen. Alle zusammen haben wir ein Ziel: Medien kreativ zu nutzen, die Perspektive auf Medienprodukte zu ändern und diese aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. So ist unser Slogan entstanden: “Mit Spielen spielen”. Als wir 2007 für eine Veranstaltung auf Machinimas stießen, also Filme, die in Videospielen gedreht werden und damals eine gesellschaftliche, meist negativ-besetzte Debatte zum Thema geführt wurde, war für uns klar, dass wir Games in den Fokus unserer Arbeit nehmen müssen. Pädagogische Ansätze für Games steckten damals noch in den Kinderschuhen und so haben wir welche entwickelt! Neben regelmäßigen Fortbildungen, Ausstellungen, Shows und Workshops betreuen wir seit mittlerweile 5 Jahren mehrere Schulen in Berlin und Hamburg, gründeten zwei Computerspielschulen in Landesbibliotheken und blicken auf eine 11-jährige Geschichte des PLAY - Creative Gaming Festivals zurück, einem fest in der europäischen Kulturlandschaft verankertem Festival, auf dem wir die kreative Spielkultur mit all unseren Angeboten, einer Ausstellung, vielen internationalen Talk- und Workshop-Gästen, Musik, Film und Theater bündeln.

Welche Bedeutung haben digitale Spiele für die Arbeit mit Jugendlichen und welches Potential seht ihr darin?

Jugendliche machen keinen Unterschied zwischen digitalen und analogen Erlebnissen. Games gehören zu ihrer Alltagskultur. Das nehmen wir ernst. Ein Medium mit dem sich Jugendliche gut auskennen ist ein guter Ausgangspunkt Neues zu kreieren, sich zu verorten und Positionen zu beziehen. Wir geben Jugendlichen die Möglichkeit, Videospiele als Ausdrucksform zu entdecken, sich intensiv mit deren Thematik und Genres auseinanderzusetzen. Wir öffnen die Augen für andere, experimentelle Games und ermöglichen durch die kreative Auseinandersetzung, wie z. B. dem Kreieren eines eigenen Werkes, eine komplett andere Perspektive auf das Medium. Mit weiterer Verbreitung und Anerkennung von Spielen als Kulturgut, mit weiteren verrückten Ideen, Konsolen, Steuerungsgeräten und noch einfacheren Anwendungen sehen wir auch in Zukunft noch viele Potentiale des kreativen Nutzens.

Wie tragen digitale Spiele zur Selbstermächtigung von Kindern und Jugendlichen bei?

Durch das “selbst erschaffen” und das Umdenken vorhandener Strukturen lernen Jugendliche enorm viel. Allein schon die Erkenntnis, dass in diesem Prozess alle “klassischen” Künste wie Storytelling, Grafik, Videoschnitt, Fotografie, Sound etc. zusammenkommen und programmieren durch viele Anwendungen fast in den Hintergrund treten kann, überrascht die meisten, lässt sie kreativ werden und das Medium nicht mehr nur als Konsumprodukt wahrnehmen. Richtig eingesetzt können mit diesen Methoden komplexere Themen, vor allem des eigenen Meinungsausdrucks, in spannenden Formaten umgesetzt werden. Digitale Spiele sind zudem auch als Rückzugsort und Sozialraum anzusehen, in dem sich ausgelebt und experimentiert werden kann. Die Selbstermächtigung kommt somit zum einen durch das “Expert/in in einem Feld sein” und zum anderen auch durch das Verständnis und das kreative Potential des Mediums zum eigenen Ausdruck. Wenn ich medienkompetent bin, d. h. ein Medium reflektieren kann, Verständnis dafür habe wie es funktioniert, kann ich kompetenter und selbstbewusster in der Gesellschaft teilhaben. Durch das Verständnis für die Strukturen von Games, lerne ich zudem viel über Strukturen selbst. Wenn ich verstehe, dass Strukturen änderbar sind, kann ich dies auch auf gesellschaftspolitische Prozesse transformieren.

Warum denkst du, ist es wichtig, dass Jugendliche sich digital ausprobieren, engagieren und so ihr gesellschaftliches Umfeld mitgestalten?

Die Frage kann eigentlich nicht nur auf Jugendliche bezogen werden. Wir leben alle gemeinsam in einer Gesellschaft; die Gesellschaft aktiv mitzugestalten sollte allen Menschen ermöglicht werden. Aktivismus im Internet und auf der Straße ist doch das Ziel jeder demokratischen Gesellschaft. Dazu gehört natürlich auch die Fähigkeit sich eine Stimme zu verschaffen: Digitalisierung kann dabei helfen. Unser diesjähriges Motto für die PLAY ist nicht umsonst “Ready Game Change - Create a new tomorrow”, dort erforschen wir die Frage, in was für einer Gesellschaft wir leben möchten und was es dazu braucht. Gerade in Zeiten von Fake News, Rechtsruck und Populismus müssen wir uns alle engagieren. Dieses Engagement kann im Internet anfangen, darf dort aber keinesfalls enden. Wir denken, dass wir mit unserer Arbeit dazu beitragen, dass Jugendliche sich selbstbewusst eine Stimme verschaffen können, dass sie Medien der Popkultur kritisch hinterfragen und auch Möglichkeiten des kreativen Ausdrucks wahrnehmen. Und hey.. Spätestens nach der PLAY sind wir alle schlauer, was es braucht um ein “new tomorrow” zu gestalten.

Das PLAY-Festival findet vom 1.-4. November in Hamburg statt.