Mit digitalen Tools Gesellschaft gestalten #6 - Interview mit demokratie.io

von Jasmin am 21.06.18
CC-BY-NC, betterplace lab

Mit den Demokratielaboren wollen wir Jugendliche dazu ermutigen, sich mit Hilfe von digitalen Kompetenzen und Technologien selbstbestimmt und aktiv an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen. In Zeiten von Hate Speech, Fake News und Populismus ist es aber oft gar nicht so leicht, das Internet als positiven Raum zur Gestaltung zu nutzen. Wie können Jugendliche mit Hilfe von Technologien selbstwirksam werden und sich beteiligen? Dazu sprechen wir jeden Monat mit Expert/innen aus digitalen Projekten für und mit jungen Menschen. In Interview #6: Katja Jäger, Projektleiterin von demokratie.io, ein Projekt, das Digitalisierung und Demokratieförderung näher zusammenbringen will.

Was ist die Idee von demokratie.io und an wen richtet sich das Projekt?

demokratie.io ist ein mehrjähriges Projekt des betterplace lab*, das innovative AkteurInnen dabei unterstützt, digitale Lösungen für die Demokratie umzusetzen. Der Innovationsfonds fördert die digitale Zivilgesellschaft mit insgesamt 200.000 Euro für die Entwicklung digitaler Lösungen, die unsere Demokratie bereichern können. Wir unterstützen die Projekte durch kontinuierliche Begleitung dabei, ihr eigenes Wirken zu reflektieren. Wissen zu Themen wie Wirkungsorientierung und Nutzerzentrierung vermitteln wir durch Beratung, in Workshops kommen die Projekte zudem zum Austausch und zum Peer-Learning zusammen.

Neben der Förderung bauen wir einen Wissensspeicher für das Feld der digitalen Demokratie auf. Auf dem Blog demokratie.io kann jeder mitlesen, welche Learning Journey die geförderten Projekte durchleben, und auch, was wir im betterplace lab durch demokratie.io lernen. Zudem beobachten und verbloggen wir im Magazin, wie sich das Themenfeld entwickelt.

*demokratie.io wird gefördert vom BMFSFJ im Rahmen des Bundesprogramm Demokratie leben! und der Robert Bosch Stiftung.

Die erste Förderrunde eures Innovationswettbewerbs ist bald beendet. Was zeichnet die fünf Gewinnerprojekte besonders aus?

Alle Projekte haben gemeinsam, dass sie innovative Wege gehen, um die Potentiale der Digitalisierung für unsere Demokratie auszuschöpfen. Dabei setzen sie an unterschiedlichen Bereichen an, um Teilhabe in unserer Demokratie zu ermöglichen und zu fördern:

  • abgeordnetenwatch goes Video will Videos von Bundestagsdebatten klickbar und kommentierbar machen und den politischen Dialog damit interaktiver gestalten.
  • Digi.Dem.Cities gestaltet eine Plattform, auf der durch Crowdsourcing demokratische Innovationen auf einer europäischen Karte gesammelt werden.
  • FragDenStaat für NGOs bietet durch eine Art Kampagnen-Tool die Möglichkeit, themenspezifische Anfragen an deutsche Behörden zu stellen.
  • Die Aula App ermöglicht es Schüler*innen, bald auch vom Handy aus über das Beteiligungskonzept Ihren Schulalltag mitzubestimmen.
  • Un/Sichtbares Jena entwickelt einen Mängelmelder für die Stadt, der mit den den Zielgruppen gemeinsam – also mit den Bewohnern Jenas – entwickelt wird.

Die Projekte haben selbst ihre Fortschritte und Herausforderungen verbloggt, die sie während der 6-monatigen Projektumsetzung erleben. Einblicke gibt’s auf der Learning Journey auf demokratie.io.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung bei der Demokratieförderung aktuell? Welche Potentiale und Herausforderungen gibt es dabei?

Es ist aktueller denn je, dass unsere Demokratie stets verteidigt werden muss. Die Digitalisierung bietet enorme Potentiale, Demokratie neu zu denken. Der Begriff der “digitalen Demokratie” ist noch recht neu, es geht dabei um die Teilhabe von Menschen bei der Gestaltung von Gesellschaft. Einen Beitrag zu leisten, ist durch den Einsatz digitaler Tools niedrigschwelliger möglich. Und Digitalisierung ermöglicht Teilhabe auf verschiedene bereichernde Arten und Weisen: Auf Petitionsseiten kann man medienwirksam Meinungen kundtun, Vorschläge für Gesetzestexte werden digital kommentierbar, und mit dem politischen Gegenlager lässt sich ebenso online diskutieren. Zivilgesellschaftliche Forderungen nach Transparenz führen dazu, dass Verwaltungen ihre Daten vermehrt offenlegen. Regierungshandeln wird nachvollziehbar und dadurch gewinnen Institutionen das in sie gesetzte Vertrauen zurück.

Die Herausforderung bestehen – wie auch bei Teilhabe im analogen Raum – darin, möglichst viele Menschen zu befähigen, wirklich mitzumachen und diese Möglichkeiten zum Mitmachen auch für alle anzubieten. Das Stichwort soziale Inklusion gilt gleichermaßen für den analogen wie den digitalen Raum.

Die Politik sollte digitale Lösungen zur Gestaltung von Gesellschaft mehr Aufmerksamkeit schenken und sie stärker in den politischen Prozess mit einbeziehen. Die digitale Zivilgesellschaft bietet dafür schon tolle und vielfältige Lösungen an, der nächste Schritt sollte sein, diese auf auch gesamtgesellschaftlicher Ebene zu implementieren. Dazu braucht es vor allem Offenheit und letztlich die Bereitschaft, digitale Innovationen mehr zu fördern. Dabei sollten gleichermaßen experimentelle Ansätze ausprobiert werden, sowie in die Verstetigung von effektiven Lösungen investiert werden.

Warum denkst du, ist es wichtig, dass auch Jugendliche sich digital engagieren und so ihr gesellschaftliches Umfeld mitgestalten?

Bei jeglicher Art von Engagement ist wichtig, Selbstwirksamkeit zu erfahren. Es geht dabei darum, zu spüren: “Ich habe mich engagiert und wirklich einen Beitrag geleistet”. Diese Erfahrung schon in jungen Jahren zu machen, ist enorm wichtig für die Ausbildung der eigenen Persönlichkeit. Zu merken, dass man dafür mitverantwortlich ist, die Gesellschaft und vor allem das eigene Lebensumfeld zu gestalten, ist eine wichtige Erkenntnis auf dem Weg zum Erwachsenwerden.

Durch Digitalisierung lässt sich Engagement vor der eigenen Haustüre einfacher gestalten. Vor allem erweitert sie die Möglichkeiten, sich auch für Themen einzubringen, die nicht im direkten Umfeld stattfinden. Schon in der Jugend davon Gebrauch zu machen, ist ein wichtiger Schritt zur Entwicklung zu einem “Global Citizen” in einer hyper-verbundenen Welt. Teil einer globalen Gemeinschaft zu sein, damit kann man nicht früh genug beginnen!