Mit digitalen Tools Gesellschaft gestalten #3 - Interview mit debate//de:hate

von Jasmin am 21.03.18
Christina Dinar, Projektleiterin von debate//de:hate, Foto: Anna Gold

Christina Dinar, Projektleiterin von debate//de:hate, Foto: Anna Gold

Mit den Demokratielaboren wollen wir Jugendliche dazu ermutigen, sich mit Hilfe von digitalen Kompetenzen und Technologien selbstbestimmt und aktiv an gesellschaftlichen Prozessen zu beteiligen. In Zeiten von Hate Speech, Fake News und Populismus ist es aber oft gar nicht so leicht, das Internet als positiven Raum zur Gestaltung zu nutzen. Wie können Jugendliche mit Hilfe von Technologien selbstwirksam werden und sich beteiligen? Dazu sprechen wir jeden Monat mit Expert/innen aus digitalen Projekten für und mit jungen Menschen. In Interview #3: Christina Dinar von debate//de:hate, einem Projekt, das sich für eine digitale demokratische Debattenkultur einsetzt.

Demokratielabore: Was ist die Idee von debate//de:hate und an wen richtet sich die Plattform?

Christina Dinar: Unsere Plattform debate//de:hate hat zum Ziel vor allem Multiplikator/innen aus dem Umfeld von Jugendlichen rund um das Thema Medienbildung/Digitale Bildung und Antidiskriminierungsarbeit mit Hintergrundinfos und neuen Einblicken zu versorgen. Das Projekt debate//de:hate ist ein Geschwisterprojekt, was mit zwei Projekten auf das Phänomen Hatespeech schaut und verschiedene Problembearbeitung verfolgt. De:hate ist der Teil, der Beobachtung, Monitoring und Analyse von Hassformen und Netzwerken betreibt und diese für alle Interessierte aufbereitet. Debate - für digitale Debattenkultur - ist ein Präventionsprojekt und bearbeitet Hatespeech in der pädagogischen Praxis. Wir geben Expertise, Beratung und Methoden für die pädagogische Praxis an die Hand. Der Ansatz dabei ist Empowerment - extremistische, menschenfeindliche Aussagen im Netz brauchen auch ein fähiges Gegenüber, das weiß, wie es damit umgehen kann und wo Grenzen erreicht sind. Das betrifft aber im weiteren alle Akteure in einer demokratischen Zivilgesellschaft, auch das ist unsere erweiterte Zielgruppe.

Wieso ist es wichtig, dass Jugendliche und Fachkräfte in der Jugendarbeit für das Thema Hatespeech sensibilisiert werden?

Hatespeech kann vielfältige Formen der Abwertung und Diskriminierung annehmen, die online vorkommen, und denen Jugendliche ausgesetzt sein können oder sie dies auch selbst (re)produzieren. Das Wissen darüber ist wichtig, denn Hatespeech ist ein gesellschaftliches Problem, was besonders durch die Zunahme von rechtspopulistischen Akteuren öffentliche Sichtbarkeit bekommen hat. Wir stärken Jugendliche und auch ihr mittelbares Umfeld wie Eltern, pädagogische Fachkräfte und Lehrpersonal im Umgang mit Hatespeech. Dabei steht im Fokus alle Beteiligten (Jugendliche wie Fachkräfte) zum Umgang damit zu befähigen. Häufig ist die erste Reaktion ein Wegschauen oder auch keine Reaktion. Wir bringen in Workshops, Peerschulung und Veröffentlichungen Jugendlichen und pädagogischen Fachkräften näher, wie genau eine Gegenrede darauf gut funktionieren kann. Wir zeigen auf, dass es vielfältige Wege gibt darauf zu reagieren und das dies auch Teil einer demokratischen Debattenkultur sein kann. Zu wissen wann ich mich wie zu diskriminatorischen Inhalten verhalte, ob ich melde, hinterfrage, andere motiviere oder auch die Gesprächsstrategie des Gegenüber benenne, ist ein Teil unserer vermittelten kommunikationsorientierten Methoden. Dabei gilt es besonders im Umgang mit rechtsextremen oder auch rechtspopulistischen Aussagen Grenzen zu kennen, wann eine Argumentation nicht mehr greift und möglicherweise ein anderer Weg gewählt werden sollte. Als pädagogische Fachkraft ist es wichtig, diese Unterscheidungen zu kennen, insbesondere wenn es von Jugendlichen kommt, mit denen man zusammenarbeitet.

Wie können digitale Tools ihnen dabei helfen, Hatespeech entgegenzuwirken?

Digitale Tools können nur bedingt helfen, denn Hatespeech ist etwas, das Menschen in ihren Köpfen produzieren und dann digital abbilden. Beim debunken (entlarven) falscher Behauptungen können digitale Tools zwar auch helfen und Hatespeech abschwächen, z.B. durch eine App, die die 10 größten Vorurteile schnell in einem Satz und auf vielfältige Weise widerlegt. Digitale Tools tragen aber eben auch die Möglichkeit in sich, dass sich Hatespeech in vernetzten Strukturen vorträgt und dafür genutzt wird anti-demokratische, menschenfeindliche Aussagen zu einer legitimen Erzählungen von vermeintlich vielen Menschen abzubilden. Insgesamt bringen digitale Tools Beteiligung und auch Transparenz voran – sie wirken integrativ und können gut angewandt Demokratie und Zusammenleben enorm erleichtern.

Wie kann eine gute digitale und demokratische Diskussionskultur aussehen? Was ist dafür nötig?

Wie oder wo eine Debattenkultur geführt wird, ist auch Teil einer gesamtgesellschaftlichen Verhandlung. Aus der Praxis wissen wir: Es ist gar nicht so einfach sich auf eine ehrliche und faire Debatte einzulassen. Streitkultur ist etwas Praktiziertes und Erlernbares, sie ist eine kulturell geprägte Aushandlungspraxis. Für uns ist besonders relevant, dass sich durch die Digitalisierung, insbesondere durch Intermediäre (Web 2.0), Öffentlichkeiten verschoben haben und viele Zugangsbarrieren abgebaut wurden. Heute können mehr Menschen denn je an der Öffentlichkeit durch das Internet Teilhabe bekommen - das ist ein wahnsinnig demokratischer Moment! Allerdings birgt das neue Herausforderungen an das Gespräch miteinander und die demokratische Debatte. Die Veränderung der Kommunikation hat zu neuen Formen von “Agoren” geführt, dezentral, verzweigt, interpersonell und hierachieaufhebend. Das macht es nicht manchmal nicht einfacher. Medienbildung und digitale Mündigkeit sind wichtige Aspekte einer digitalen demokratischen Debattenkultur, aber genauso wichtig ist es, Kommunikationsweisen wie Widerspruch, Diskurspraktiken und Wissen über Desinformationsstrategien (z.B. Fakenews) als einen Standard zu vermitteln. Debattenkultur ist etwas sehr vielfältiges und auch der politische und demokratische Streit ist enorm wichtig zu stärken, auch um Populismus und weitere gesellschaftlichen Polarisierung präventiv vorzugreifen.